Viele philosophische Bücher gelten als schwer verständlich, und die akademische Philosophie insgesamt hat den Ruf, weltfremd und unzugänglich zu sein. Philosophische Praxis stellt demgegenüber den Versuch dar, den immensen Bestand philosophischen Wissens mit aktuellen persönlichen oder gesellschaftlichen Problemen der realen Lebenswelt zu vermitteln. Sie will die Distanz zwischen der Philosophie und dem Leben verringern. Philosophische Praxis eröffnet den Raum für systematische Reflexion und gemeinsames Sich-Beraten. Denn Philosophie vollzieht sich seit ihren Anfängen in der Antike wesentlich im gemeinsamen Gespräch.
Philosophische Praxis nimmt ihren Ausgangspunkt bei den Fragen und Zweifeln, die im alltäglichen individuellen und gesellschaftlichen Leben aufleuchten. Da das Denken und die Ansichten der Einzelnen notwendig begrenzt und von persönlichen Erfahrungen und Gefühlen abhängig sind, müssen sie sich im gemeinsamen Gespräch bewähren. Die eigenen Gedanken und Argumente werden an denen der anderen überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Ziel ist es, durch systematisches kritisches Nachfragen zu Einsichten zu gelangen, denen alle vernünftigerweise zustimmen können. Statt um die autoritäre Vermittlung vorgefertigten Wissens, geht es um das gemeinsame, professionell angeleitete diskursiv-argumentative Gewinnen begründeten, sicheren Wissens. Gemäss einem berühmten Diktum Kants kann man gar nicht „Philosophie“ lehren oder lernen, sondern nur das „Philosophieren“.
Literatur:
- Dagmar Fenner: Philosophie contra Psychologie? Zur Verhältnisbestimmung zwischen Philosophischer Praxis und Psychotherapie, Francke: Tübingen/Basel 2005.